Rede­bei­trag der DGB-Jugend zum 1. Mai 2023 in Pots­dam


Unge­bro­chen soli­da­risch: Arbeiter*innen- und Kli­ma­kämp­fe ver­bin­den!

Wir ste­cken mit­ten in einer wirt­schaft­li­chen, indus­tri­el­len und gesell­schaft­li­chen Trans­for­ma­ti­on. Auch wenn der Kli­ma­schutz nicht schnell genug vor­an­ge­trie­ben wird, um Kipp­punk­te zu ver­mei­den, ver­än­dert sich etwas in unse­rer Gesell­schaft und in unse­rer Art zu wirt­schaf­ten. Das kommt nur daher, dass Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen in den letz­ten 50 Jah­ren Erstaun­li­ches geleis­tet haben. Sie waren das Früh­warn­sys­tem einer glo­ba­len Gesell­schaft, dass vor der gro­ßen Wel­le warnt, die uns alle über­rol­len wird, wenn wir sie nicht vor­her aus­brem­sen.

In den letz­ten 50 Jah­ren haben wir alle erfah­ren, was wir als Gewerk­schaf­ten schon immer wuss­ten: Wir kön­nen uns nicht auf Arbeitgeber*innen und Poli­tik ver­las­sen, wenn es dar­um geht eine sozia­le Welt und eine Arbeits­welt zu schaf­fen, die unschäd­lich ist – für uns und für die kom­men­den Gene­ra­tio­nen. Wir kön­nen zum Bei­spiel nicht dar­auf war­ten, dass der Staat in den kapi­ta­lis­ti­schen Markt der­art stark ein­greift, dass es aus­rei­chend gro­ße Anrei­ze gibt, die eige­ne Pro­duk­ti­on kli­ma­neu­tral zu gestal­ten – und trotz­dem noch Pro­fi­te zu machen. Wo kom­men wir hin, wenn wir wei­ter mit unse­ren Steu­ern die Pro­fi­te der Groß­kon­zer­ne zah­len, wie es im Fall von kli­ma­schäd­li­chen Sub­ven­tio­nen bereits der Fall ist? Wir kön­nen auch nicht dar­auf war­ten, dass die Geschäfts­füh­rung plötz­lich beschließt, die Arbeits­zeit für alle zu redu­zie­ren, dabei aber das vol­le Gehalt zu zah­len, mehr Leu­te ein­zu­stel­len und gleich­zei­tig auch noch die unte­ren Ein­kom­mens­grup­pen auf­zu­wer­ten. Hat das jemals funk­tio­niert? Nein! Über­neh­men die Arbeit­ge­ber die Ver­ant­wor­tung für die Beschäf­tig­ten in Zei­ten der Infla­ti­on und zah­len uns von sich aus einen Aus­gleich? Defi­ni­tiv nicht! Statt­des­sen legen sie uns, wie aktu­ell im öffent­li­chen Dienst oder bei der Deut­schen Bahn lächer­li­che Ange­bo­te vor. Wir über­neh­men Ver­ant­wor­tung für die Gesund­heits­ver­sor­gung und Kin­der­be­treu­ung in die­sem Land, indem wir uns in den Kran­ken­häu­sern und Kitas orga­ni­sie­ren und die öffent­li­che Daseins­vor­sor­ge so gestal­ten, dass man ger­ne als Pfle­ge­kraft und Erzieher*in arbei­ten möch­te. Es sind unse­re Kolleg*innen, die selbst wäh­rend einer Pan­de­mie gear­bei­tet haben, um Ver­sor­gungs­si­cher­heit zu schaf­fen. Es waren nicht die Unter­neh­men, die in egal wel­cher Kri­se, sei es Pan­de­mie, Krieg in Euro­pa oder Kli­ma­wan­del, nur han­deln, wenn es für sie pro­fi­ta­bel ist. Wenn wir in Betriebs- und Per­so­nal­rä­ten Betriebs- und Dienst­ver­ein­ba­run­gen abschlie­ßen, die die Beschäf­tig­ten schüt­zen, pre­kä­re Grup­pen mit ein­be­zie­hen und ihren All­tag ver­bes­sern, dann ist das Mit­be­stim­mung. Und Mit­be­stim­mung ist Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me.

Als Gewerk­schaf­ten haben wir einen unge­heu­ren Erfah­rungs­schatz, wenn es dar­um geht, Ver­ant­wor­tung für unse­re Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen zu über­neh­men. Wir wis­sen, dass Men­schen­rech­te und Grund­rech­te uns nicht geschenkt, son­dern unter gro­ßen Opfern erkämpft wor­den sind. Wir wis­sen auch, dass sie – ein­mal erkämpft – nicht in Stein gemei­ßelt sind, son­dern ein andau­ern­der Aushandlungs- und Durch­set­zungs­pro­zess. Ich den­ke z.B. an unse­re Kolleg*innen aus dem inner- und außer­eu­ro­päi­schen Aus­land die wäh­rend der Pan­de­mie durch die deut­sche Fleisch­in­dus­trie, die rie­si­ge Men­gen an Treib­haus­ga­sen aus­stößt und För­de­rer der Mas­sen­tier­hal­tung ist, auf die wider­lichs­te Art aus­ge­beu­tet wur­den und mit­un­ter, trotz ers­ter gewerk­schaft­li­cher Erfol­ge mit der NGG, noch immer wer­den. Die­se Kolleg*innen wur­den und wer­den sys­te­ma­tisch um ihren Lohn und Erho­lungs­zeit betro­gen. Ihnen wer­den grund­le­gen­de Rech­te abge­spro­chen, die sie sich jetzt hof­fent­lich mit uns an ihrer Sei­te zurück erobern wer­den. Dies geschah in den glei­chen Jah­ren, in denen die Kon­zer­ne 5% Divi­den­den an ihre Aktionär*innen an der deut­schen Bör­se aus­ge­schüt­tet haben. Oder ich den­ke an die Kolleg*innen in der Logis­tik­bran­che, die auf­grund des immer noch anwach­sen­den Kon­sum­ver­hal­tens explo­diert, die sich grenz­über­grei­fend orga­ni­sie­ren und rote Lini­en ein­zie­hen, wäh­rend ihnen immer mehr zuge­mu­tet wird. Auch das ist ein mas­si­ver klima- und umwelt­schäd­li­cher Indus­trie­zweig.

Die­se Kämp­fe um Grund­rech­te, um Aner­ken­nung, um Mit­be­stim­mung, um gute Arbeit und guten Lohn sind nicht vor­bei. Im Gegen­teil! Und sie wer­den noch um min­des­tens eine wei­te­re Dimen­si­on erwei­tert: Den Kampf für die Frei­hei­ten von künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen. In die­sem Kampf, den wir füh­ren müs­sen, geht es um Kli­ma­ge­rech­tig­keit.

Die Wel­le wird kom­men. Um sie auf­hal­ten zu kön­nen, hät­ten wir deut­lich frü­her reagie­ren und umsteu­ern müs­sen. Doch genug mit „hät­te“. Wir sind im Jetzt.

Die Fra­ge ist nun: Wie hef­tig trifft uns die Wel­le? – und wer ist eigent­lich uns? Und: Für wen sind wir bereit Ver­ant­wor­tung in unse­rem Han­deln zu über­neh­men?

Geo­gra­phisch und finan­zi­ell unter­schied­lich aus­ge­stat­te­te Regio­nen wer­den durch den Kli­ma­wan­del durch die schlei­chen­den und die hef­ti­gen Ver­än­de­run­gen, wie Extrem­wett­ereig­nis­sen, unter­schied­lich – und unter­schied­lich stark – betrof­fen sein. Dür­re­pe­ri­oden, Ern­te­aus­fäl­le, Hit­ze, Tro­cken­heit, Wald­brän­de, Wald­ster­ben, extre­mer Nie­der­schlag, Mücken und Viren, aus­ster­ben­de Arten, ver­trock­ne­te oder umge­kipp­te Seen und Flüs­se bei kurz­zei­ti­gen Über­flu­tun­gen… — kommt euch das bekannt vor? Das sind die Ver­än­de­run­gen, die wir schon jetzt in Bran­den­burg auf­grund des Kli­ma­wan­dels beob­ach­ten kön­nen und die sich in den nächs­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten inten­si­vie­ren wer­den. Die Regi­on Berlin-Brandenburg gehört zwar in Deutsch­land zu den am stärks­ten ver­wund­ba­ren Gebie­ten, das ist aber nichts im Ver­gleich zu ande­ren Regio­nen auf der Welt. Die lebens­feind­li­chen Flä­chen wer­den sich aus­wei­ten und wir Men­schen wer­den zusam­men­rü­cken müs­sen. In den nächs­ten 30 Jah­ren wer­den 31 Staa­ten ver­mut­lich zu gro­ßen Tei­len unbe­wohn­bar sein, dar­un­ter z.B. Syri­en, Paki­stan, Ango­la oder Mada­gas­kar, und eine Mil­li­ar­de Men­schen wer­den des­halb flie­hen müs­sen. Eine Mil­li­ar­de Men­schen.

Hier in der BRD zeigt sich deut­lich, dass je rei­cher ein Mensch ist, des­to umwelt­schäd­li­cher ist sein Ver­hal­ten. Wir in Euro­pa gehö­ren zu den 10%, die über ihre, über die pla­ne­ta­ren Ver­hält­nis­se gelebt haben und leben. Und am Ende sind die Men­schen, die am wenigs­ten Kli­ma­schä­den ver­ur­sacht haben, die­je­ni­gen, die am meis­ten unter dem Kli­ma­wan­del lei­den und lei­den wer­den.

Das ist nicht gerecht.

Die Arbeiter*innenbewegung, die heu­te wir sind, und aus deren Anlass wir uns heu­te hier am 1. Mai ver­sam­melt haben, war immer ein inter­na­tio­na­ler Kampf für Men­schen­rech­te. Heu­te muss dies bedeu­ten, sozia­le Gerech­tig­keit in der öko­lo­gi­schen Trans­for­ma­ti­on durch­zu­set­zen.

Was bedeu­tet das für uns als Gewerk­schaf­ten?

Das bedeu­tet ers­tens, dass wir den Kli­ma­wan­del und die Begrenzt­heit der öko­lo­gi­schen Res­sour­cen als wich­ti­gen Bestand­teil für Leben, Arbeit und Wirt­schaft aner­ken­nen und mit­den­ken müs­sen. Und die­sen ers­ten Schritt, den wir gera­de dabei sind zu gehen, kann man nicht genug beto­nen. Denn tun wir das nicht, haben wir den Kampf ver­lo­ren, bevor wir ihn begon­nen haben.

Das bedeu­tet zwei­tens, dass wir die Zie­le, die wir sowie­so haben: Mit­be­stim­mung im Betrieb, Gestal­tung der Wirt­schafts­be­zie­hun­gen und sozia­le Gerech­tig­keit, unter dem Punkt des Kli­ma­wan­dels vehe­ment und schnell ange­hen und betrach­ten müs­sen.

Das bedeu­tet drit­tens, dass wir uns und unse­re Kolleg*innen für die­se Zie­le wei­ter­hin orga­ni­sie­ren müs­sen. Wir kön­nen nicht hin­neh­men, dass mit­ten in einer Trans­for­ma­ti­on, in der es auf uns alle ankommt, nur noch eine Min­der­heit der Beschäf­tig­ten in Betrie­ben arbei­tet, in denen es sowohl eine Tarif­bin­dung als auch einen Betriebs­rat gibt. Wir kön­nen nicht hin­neh­men, dass gan­ze Bran­chen wei­ße Fle­cken auf der Land­kar­te der gewerk­schaft­li­chen Orga­ni­sie­rung sind.

Und das bedeu­tet vier­tens, dass wir uns nicht gegen­ein­an­der aus­spie­len las­sen. Dass wir uns mit unse­ren Ängs­ten und Sor­gen aner­ken­nen, ein­an­der zuhö­ren, Jung und Alt, im glo­ba­len Nor­den und im glo­ba­len Süden, Arbeiter*innen und Kli­ma­be­weg­te, Industrie‑, Dienstleistungs- und Bil­dungs­ge­werk­schaft, und gemein­sam Ver­ant­wor­tung über­neh­men.

Wir müs­sen vor die Wel­le kom­men, die der Kli­ma­wan­del ist, wenn wir für unse­re Mit­glie­der, für die Beschäf­tig­ten, für uns siche­re Zukunfts­aus­sich­ten schaf­fen wol­len. Jede Orga­ni­sie­rung ist zweck­los, wenn wir den Kli­ma­wan­dels, als all­um­fas­sen­des The­ma nicht aner­ken­nen – und das betrifft ins­be­son­de­re die Beschäf­tig­ten in den emis­si­ons­rei­chen Indus­trien und Bran­chen.

Wenn wir uns aber recht­zei­tig in Betrie­ben orga­ni­sie­ren und Mit­be­stim­mungs­rech­te ein­for­dern, haben wir ein Druck­mit­tel: Wir kön­nen kol­lek­tiv han­deln. Schon jetzt gibt es z.B. die Pra­xis Betriebs­ver­ein­ba­run­gen zum Umwelt­schutz abschlie­ßen — die­se Pra­xis kön­nen wir auf Kli­ma­schutz aus­wei­ten und Unter­stüt­zung im Betrieb orga­ni­sie­ren. Denn nur wenn wir kol­lek­tiv han­deln, und das ist der Grund­ge­dan­ke von Gewerk­schaf­ten, und unser Wis­sen als die­je­ni­gen, die die Arbeit am Ende leis­ten, zusam­men­tun, kön­nen wir Ver­ant­wor­tung für uns, die zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen und die uns umge­ben­de Umwelt über­neh­men. Wenn wir kol­lek­tiv han­deln, kön­nen wir uns gegen die kapi­ta­lis­ti­schen Inter­es­sen der Pro­fit­ma­xi­mie­rung von Unter­neh­men und Aktionär*innen weh­ren. Wir kön­nen der rück­sichts­lo­sen Extrak­ti­on und Zer­stö­rung von natür­li­chen Res­sour­cen, den Emis­sio­nen und der Umwelt­ver­schmut­zung etwas ent­ge­gen­set­zen – auch und gera­de, wenn wir an die­sen Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen als Beschäf­tig­te betei­ligt sind.

Ein Bei­spiel des zukunfts­si­chern­den Wan­dels könn­te die Zusam­men­ar­beit der Betriebs­rä­te von Deut­sche Bahn und LEAG in der Lau­sitz sein, wo es dar­um geht die Fach­kräf­te von LEAG lücken­los in die DB-Strukturen zu über­neh­men. Auch in der Fra­ge, wie die Ernährungs- und Bau­sek­to­ren ihre Kli­ma­zie­le errei­chen kön­nen, brau­chen wir ver­stärk­te Mit­be­stim­mung der Beschäf­tig­ten – unter der Bedin­gung des Kli­ma­wan­dels. Aber auch im Dienstleistungs- und Bil­dungs­be­reich stel­len sich drän­gen­de Fra­gen in Bezug auf den Kli­ma­wan­del. Wir müs­sen das Bil­dungs­sys­tem umbau­en, sodass wir Schüler*innen unter­stüt­zen Ver­ant­wor­tung in einer sich ver­schär­fen­den Zukunft zu über­neh­men, wir müs­sen das Bil­dungs­sys­tem in sich demo­kra­ti­sie­ren und Kli­ma­bil­dung als Quer­schnitts­the­ma in allen Fächern ver­an­kern. Wir müs­sen die Berufs- und Erwach­se­nen­bil­dung stär­ken, damit wir zeit­nah öko­lo­gisch umschu­len kön­nen. Aktu­ell leh­ren die Schüler*innen eher uns, was es bedeu­tet, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men.

Wir müs­sen die Arbeit am Men­schen zen­tral stel­len und Sorge- sowie Gesund­heits­ar­beit stär­ken. Wir müs­sen die Arbeits­be­din­gun­gen in allen für uns lebens­not­wen­di­gen Dienst­leis­tun­gen so gut gestal­ten, dass wir genug Men­schen fin­den, die dort arbei­ten wol­len, und es ihnen dabei gut geht. Wir wer­den die­se zusätz­li­chen Res­sour­cen z.B. im Gesund­heits­sys­tem brau­chen, denn zu den ver­mehr­ten Viren, Kreis­lauf­erkran­kun­gen, etc. kommt ein demo­gra­fi­scher Wan­del, für den wir auch Ver­ant­wor­tung über­neh­men müs­sen.

In jedem Beruf müs­sen wir die Fra­ge stel­len: Wie geht res­sour­cen­scho­nen­des Arbei­ten? Und wenn die Ant­wort lau­tet: „Ehr­lich gesagt geht das nicht, denn das Pro­dukt ist das Pro­blem.“ Dann müs­sen wir fra­gen: Wie soll es für uns wei­ter gehen? Denn der ver­meint­li­che Inter­es­sens­kon­flikt zwi­schen Klima- und Gewerk­schafts­be­we­gung besteht, nur wenn wir als Gewerk­schaft im kurz­fris­ti­gen Den­ken ver­har­ren, auf die Steue­rung des Mark­tes oder Poli­tik ver­trau­en und den Kli­ma­wan­del nicht als Grund­be­din­gung für unser Han­deln aner­ken­nen.

Ich kann auf jeden Fall für mich spre­chen, wenn ich sage: Ich will mehr von die­ser Trans­for­ma­ti­on. Ich will, dass das die kapi­ta­lis­ti­sche Wirt­schaft mit ihren ras­sis­ti­schen Struk­tu­ren zurück­ge­drängt wird, denn sie ist die Wur­zel des Pro­blems und solan­ge wir auf Wachs­tum in allen Bran­chen set­zen und auf ein völ­lig insta­bi­les Finanz­sys­tem ver­trau­en, wer­den wir dem guten Leben und der glo­ba­len Ver­ant­wor­tung für unse­ren Pla­ne­ten nicht wesent­lich näher­kom­men.

Aber… Wir haben kei­ne Zeit mehr und müs­sen JETZT han­deln. Und wir müs­sen jetzt sofort da anfan­gen, wo wir kön­nen. Für mich heißt das, immer über die aktu­el­len Ver­hält­nis­se hin­aus zu den­ken und gleich­zei­tig im Hier und Jetzt anzu­pa­cken.

Ich ver­ste­he, wenn ihr Angst vor der Ver­än­de­rung habt. Aber Angst kommt von dem Gefühl dem Neu­en aus­ge­lie­fert zu sein.

Wir brau­chen kei­ne Angst haben, wenn wir die Trans­for­ma­ti­on selbst gestal­ten.

Die glei­che Erfah­rung, die wir mit den Arbeit­ge­bern gemacht haben, hat die Kli­ma­be­we­gung mit den Regie­run­gen gemacht. Sie reden viel, aber tun nicht genug, um die Kli­ma­zie­le, deren Nicht­er­rei­chung die Bedro­hung unse­rer Lebens­grund­la­ge bedeu­tet, umzu­set­zen. Vie­le jün­ge­re Men­schen und Kli­ma­be­weg­te haben Angst davor, dass gera­de nichts pas­siert. Und des­we­gen grei­fen sie zu immer dras­ti­sche­ren Maß­nah­men, um Druck auf die Regie­rung aus­zu­üben. Die­ser Pro­test gehört genau­so wenig kri­mi­na­li­siert, wie unser Streik­recht ein­ge­schränkt gehört.

Eini­ge Indus­trien und Beru­fe wer­den kei­ne Zukunft haben oder sich sehr stark ver­än­dern. Das bedeu­tet aber nicht, lie­be Kolleg*innen, dass eure Arbeit umsonst war. Das bedeu­tet nicht, dass ihr nicht stolz sein dürft auf eure Arbeit und eure Lebens­leis­tung!

Es ist okay, die Ver­än­de­run­gen zu betrau­ern. Es ist okay, sich bestimm­te Din­ge in Ehren zu hal­ten und an sie zu erin­nern. Auch das wird unse­re Auf­ga­be als Gewerk­schaf­ten in den nächs­ten Jah­ren sein. Wir brau­chen eine erwei­ter­te Erin­ne­rungs­kul­tur, in der Raum für die geleis­te­te Arbeit von uns und unse­ren Kolleg*innen ist.

Von der Kli­ma­be­we­gung wird der Dis­kurs manch­mal sehr radi­kal geführt. Das ist zwar gut so, aber kann auch Gefüh­le ver­let­zen. Ihr wisst, was ihr geschafft habt, und wir kön­nen uns gegen­sei­tig die Aner­ken­nung dafür geben – selbst wenn es sonst nie­mand tut. Und gleich­zei­tig müs­sen wir los­las­sen und zum Trans­for­ma­tor der Wirt­schaft und der Wirt­schafts­be­zie­hun­gen wer­den.

Wir müs­sen uns zusam­men­tun und gemein­sam han­deln. Ich habe anfangs gesagt, dass wir bereits mit­ten in der Trans­for­ma­ti­on sind: Dort wo sich Struk­tu­ren ver­än­dern, liegt auch immer die Mög­lich­keit, sie zu gestal­ten. Wir kön­nen jetzt dafür sor­gen, dass gute und kli­ma­neu­tra­le Arbeit, Tarif­bin­dung, Mit­be­stim­mung etc. ent­ge­gen dem neo­li­be­ra­len Trend des Uni­on­bus­tings und der indi­vi­du­el­len Ver­hand­lun­gen zu einer Selbst­ver­ständ­lich­keit wer­den.

Die­je­ni­gen, die pri­mär Profit- oder Spar­sam­keits­in­ter­es­sen ver­fol­gen, wis­sen wie viel wir errei­chen kön­nen, wenn wir uns zusam­men­tun. Das hat man erst neu­lich in die­ser Tarif­run­de im öffent­li­chen Dienst und bei der Bahn gese­hen, wo ver.di, die EVG und Fri­days for Future gemein­sam unter dem Mot­to #wir­fah­ren­zu­sam­men gestreikt haben. Sofort spra­chen die Arbeit­ge­ber von einer „unver­hält­nis­mä­ßi­gen Aus­deh­nung des Streik­rechts“. Und das obwohl in der BRD im inter­na­tio­na­len Ver­gleich eines der restrik­tivs­ten Streik­rech­te gilt. Das zeigt uns, wie wich­tig die­se Zusam­men­ar­beit ist und wie wirk­sam sie sein kann!

In einer glo­ba­len Wirt­schaft müs­sen wir uns außer­dem inter­na­tio­nal ver­net­zen. Wir müs­sen uns ent­lang von Produktions- und Lie­fer­ket­ten und Sorge- und Bil­dungs­ge­mein­schaf­ten orga­ni­sie­ren. Das hat in der Logis­tik­in­dus­trie bereits zu ers­ten Erfol­gen geführt z.B. bei Ama­zon. Das gilt aber auch für die pro­du­zie­ren­de Indus­trie mit vie­len glo­bal ver­teil­ten Stand­or­ten und Zulie­fe­rern, sowie für die Pfle­ge, in der, anstatt die Arbeits­be­din­gun­gen struk­tu­rell zu ver­bes­sern, Fach­kräf­te aus dem Aus­land ange­wor­ben wer­den. Dabei wer­den Löcher in die jeweils regio­na­le Sor­ge­ge­mein­schaft geris­sen, die wie­der­um von noch schlech­ter bezahl­ten Beschäf­tig­ten aus einer ande­ren Regi­on gestopft wer­den müs­sen. Das ist nicht gesund für unse­re Gemein­schaf­ten und führt zu Ein­sam­keit auf vie­len Sei­ten.

Wir soll­ten nicht nur soli­da­risch mit unse­ren migran­tisch Kolleg*innen im Betrieb sein, son­dern auch mit allen Men­schen auf der Flucht. Die welt­wei­ten Migra­ti­ons­be­we­gun­gen haben sich in den letz­ten Jahr­zehn­ten ver­viel­facht, dar­un­ter immer mehr Flüch­ten­de, die ihr Zuhau­se auf­grund eines lebens­be­droh­li­chen Kli­mas, sei es poli­ti­scher, versorgungs- oder umwelt­be­zo­ge­ner Art, ver­las­sen müs­sen. Wir müs­sen Ver­ant­wor­tung über­neh­men: Wir müs­sen uns für eine nied­rig­schwel­li­ge und bedin­gungs­lo­se Asyl- und Migra­ti­ons­po­li­tik ein­set­zen. Wir müs­sen uns im Betrieb und auf der Stra­ße gegen Ras­sis­mus stel­len und rech­ten Paro­len Ein­halt gebie­ten.

Es muss uns doch dar­um gehen, es jeman­den ein­fach nicht schwer zu machen. Ins­be­son­de­re nicht den­je­ni­gen, die in Not sind.

Es gibt kein rich­ti­ges Leben im Fal­schen. Wenn alles, was wir unse­rem All­tag tun, kau­fen, woh­nen, etc. mas­siv kli­ma­schäd­lich ist, haben wir kein indi­vi­du­el­les Pro­blem. In die­ser Situa­ti­on die Ver­ant­wor­tung auf die Kauf­ent­schei­dun­gen  der ein­zel­nen Men­schen zu schie­ben ist, lächer­lich und eines der Mär­chen des Kapi­ta­lis­mus, um wei­ter­hin Pro­fi­te machen zu kön­nen. Doch wenn es kein rich­ti­ges Leben im Fal­schen gibt, dann müs­sen wir Ver­ant­wor­tung dafür über­neh­men, dass das fal­sche Sys­tem Kli­ma­zer­stö­rung gestoppt wird, dass das Fal­sche nicht mehr falsch, son­dern öko­lo­gisch und sozi­al nach­hal­tig ist.

Wir dür­fen nicht die­je­ni­gen sein, die ein schnel­les Han­deln in Sachen Kli­ma­schutz aus­brem­sen, son­dern wir müs­sen die­je­ni­gen sein, die es kon­se­quent ein­for­dern. Lasst uns ein neu­es Selbst­bild ent­wer­fen! Lasst uns gesell­schaft­lich neu defi­nie­ren, was gute Arbeit aus­macht und wie wir leben wol­len – ohne dabei das Alte, das wir hin­ter uns las­sen müs­sen, zu ent­wer­ten. Wir müs­sen aner­ken­nen, dass wir Teil die­ses Öko­sys­tems sind und ohne es nicht über­le­ben kön­nen. Wir sind Teil die­ses Öko­sys­tems – und nicht Herr­schen­de über die Natur.

Lasst uns Ver­ant­wor­tung über­neh­men, mehr wer­den, und dafür sor­gen, dass nie­mand ver­ges­sen wird. Lasst uns – in gegen­sei­ti­ger Aner­ken­nung unse­rer unter­schied­li­chen Erfah­run­gen und mit Respekt – für eine soli­da­ri­sche, eine kli­ma­ge­rech­te Trans­for­ma­ti­on kämp­fen!

Wir sind heu­te hier, weil wir zusam­men für das gute Leben für alle und gegen den Kli­ma­wan­del kämp­fen wol­len. Auch wenn mit Kli­ma­wan­del schwie­ri­ge Zei­ten auf uns zukom­men, möch­te an die­ser Stel­le sagen: Wir sind für euch da. Lasst uns gemein­sam das Mot­to des heu­ti­gen Tages zu mehr wer­den las­sen als eine blo­ße Phra­se. Lasst uns unge­bro­chen soli­da­risch für­ein­an­der ein­ste­hen!

Dan­ke.

Autor*innen: 
S., F., und S. von den GEW Stu­die­ren­den, IGBCE Jugend und ver.di Jugend


Anfra­gen und Kom­men­ta­re ger­ne an: mailto:studis@gew-brandenburg.de